Schönebecker Bürgerinnen und Bürger zittern angeblich schon vor Angst angesichts tollwutverseuchter Rotfuchshorden, die den Ortsteil unsicher machen, Rehwild lässt den Schösslingen im FSC-Wald des Borbecker Schlossparks keine Chance auf Naturverjüngung und eingereiste Nil- und Kanadagänse koten was das Zeug hält … da hilft nur eins: abknallen! Oder?
In der BV IV (Borbeck usw.) kam im Dezember letzten Jahres die Befriedung (=Einrichtung einer jagdfreien Zone) des Schlossparks zur Sprache und löste Unfrieden aus: Zum einen fühlten sich die Volksvertreterinnen und -vertreter unzureichend informiert: Der vordere, mehr gestaltete Parkteil ist eh von der Bejagung ausgenommen, was aber kaum jemand wusste. Außerdem wurde beklagt, dass Anwohner und Besucher des Parks nicht zeitnah über die Jagd informiert wurden, so dass Beschwerden über Lärm von Schüssen, verbunden mit entsprechenden Ängsten, eingingen.
Zum anderen wurde darüber gestritten, ob die Bejagung nun grundsätzlich in diesem Bereich sinnvoll sei und dabei wurden ein paar – vorsichtig gesagt – unscharfe Begründungen aufgefahren.
Fuchsjagd sei ein Mittel der Tollwutbekämpfung.
Tollwut ist seit 2008 in Deutschland ausgerottet, zumindest was die Übertragung durch Füchse angeht (einzelne Fledermausarten sind noch befallen). Das hat u.a. zu einer Zunahme der Fuchspopulation geführt, die zunehmend in städtische Agglomerationen vordringen, dort aber auch durch ihr Jagdverhalten regulieren. Zur Tollwut bietet das Bundesinstitut für Risikobewertung eine interessante Darstellung
“Fuchsbandwurm – der Schrecken im Dünndarm” so titelt die Ärzte Zeitung am 19.09.2011, was die Flintenträger gern aufgreifen. Die Wahrscheinlichkeit, in Essen von einem “Rüpel-Radler” (Lieblingsunwort von WAZ-Konzern und Bildzeitung aus dem Munde von Kay Nehm, dem Präsidenten des Verkehrsgerichtstages) überfahren zu werden, ist deutlich höher. Rund 20 Fälle des Befalls von Echinococcus-Erregern und des Ausbruchs entsprechender meldepflichtiger Symptome treten jährlich in ganz Deutschland auf und dies überwiegend in Süddeutschland. Das Robert-Koch-Institut beobachtet die Entwicklung genau, spricht aber von einem “seltenen Errger”. Uns ist in Essen kein Fall bekannt.
Die Bedrohung durch den Fuchsbandwurm ist also theoretisch durchaus vorhanden (ebenso wie die Übertragung des Hanta-Virus durch die Rötelmaus). Der Fuchsbandwurm ist ein Parasit, der im Darm des Fuchses vorkommt, aber auch im Darm von Hund und Katze. Die Bandwurmeier werden über den Kot ausgeschieden. Ein “Zwischenwirt” – überwiegend Kleinnager wie z. B. Mäuse nehmen die Eier meist von kontaminierten Pflanzenteilen auf. Larven schlüpfen im Darm des Zwischenwirtes aus den Eiern und wandern in erster Linie zur Leber. Hier wachsen sie tumorähnlich und zerstören langsam das Lebergewebe . Der Kreislauf schließt sich, wenn der Zwischenwirt von einem “Endwirt”, einem Räuber wie Fuchs, Hund oder Katze gefressen wird. In dessen Darm entwickeln sich die Larven dann zu einem erwachsenen Bandwurm.
In 70% der gemeldeten Fälle (von 1980 bis 2003 waren es in Europa 559) sind Hunde- und Katzenbesitzer betroffen. Alle Haustiere vor die Flinte? Das Ganze hat mehr den Anschein von Panikmache im Interesse der Jägerschaft.
Das Problem mit den Wasservögeln und ihrem Kot ist hausgemacht: Alle gehen dahin, wo es lecker Essen gibt – und das ist im Schlosspark. Wenn seitens Grün&Gruga behauptet wird – der Autor hat es selbst aus dem Munde eines Verantwortlichen gehört – Entenfüttern sei ein Heranführen der Kinder an die Natur, dann braucht man sich über nichts mehr zu wundern. Dann aber mit der Knarre zu reagieren ist absurd.
“Fuchs, du hast die Gans gestohlen”, heißt es in dem Kinderlied. Weniger Füchse, weniger Jäger auf Wasservögel und (Rötel?) Mäuse – ein Fuchs hat pro Tag einen Nahrungsbedarf von 15-20 Feldmäusen. Allerdings nimmt er als Allesfresser das, was er kriegen kann, vor allem kranke und schwache Tiere, würde aber auch ein Reh nicht verschmähen. Studien belegen, dass Rehpopulationen vom Rotfuchsbestand abhängen… und vor dem Menschen hat ein Fuchs weitaus mehr Angst als umgekehrt nötig wäre.
Viel bleibt also nicht von der Argumentation der Waidleute in Sachen Schlosspark übrig. Die Frage nach dem Blei als Munition wurde offensichtlich gar nicht diskutiert, aber das hat sich ja ab Mai eh erledigt. Das Ganze zeigt allerdings auch, wie notwendig eine Diskussion um die Jagdrechtrechtsreform in NRW ist, die ökologische und Tierschutz-Aspekte in den Vordergrund stellt.
Ein ganz anderer Aspekt: Tempo 30 innerhalb von Städten würde weitaus mehr Leben retten – ob da die Jäger auch so vehement argumentieren?
Waidmannsdank!