Bedrohtes “Buchenwäldchen” Schönebeck: Ein erster Schritt zu mehr Information in Sachen Wald- und Bodenschutz …

Typischer Buchenwald - Quelle: Wikipedia

Ca. 170 interessierte Bürgerinnen und Bürger ließen die an sich montags geschlossene Speisegaststätte Schönebecker Schweiz auf Einladung vom Vorsitzenden der CDU Schönebeck-Bedingrade Klaus Diekmann aus allen Nähten platzen – und alle waren sich einig:

Das einzigartige Naturdenkmal des Ortsteils muss erhalten bleiben!

Wäldchen kurz vor dem Kollaps
Leider ist die Naturwaldzelle mannigfaltigen Gefahren ausgesetzt, deren sich die meisten Anwesenden zunächst gar nicht bewusst waren. In eindringlichen und verständlichen Worten erläuterte Bernd Schmid-Knop von Grün und Gruga den Druck, dem im wahrsten Sinne des Wortes die etwa 150 Jahre alten Bäume und vor allem ihre Feinwurzeln ausgesetzt sind: Jeder Fußtritt, jeder Fahrradreifen und jedes Graben und Beseitigen der Laubschicht nimmt den Wurzeln die Möglichkeit, den Bäumen genügend Nährstoffe zuzuführen, so dass ein langsames Siechtum nicht mehr aufzuhalten ist, wenn nicht sofort etwas geschieht, zu sehr sind die Riesen schon geschädigt. Dirtbiker (Radfahrer, die gern riskante Fahrabenteuer in unwegsamem Gelände machen), spielende Kinder, Hundefreunde, leider auch die Pfadfinder, die – sich bisher ihres Tuns gar nicht bewusst – schädigen mit jedem Betreten des Areals das Baumwachstum.

Kompetentes Podium
Unterstützung fand Schmid-Knop durch den Forstwissenschaftler Hübscher und den ESPO-Geschäftsführer Rohrberg – der eine argumentierte aus boden- und waldschutzfachlicher Sicht, der andere hob zwar die Bewegungsfreude der Schönebecker hervor und lobte bewundernd das Können der Dirtbiker, stimmte aber auch zu, dass das Buchenwäldchen mit Blick auf die nicht zu unterschätzenden Gefahren durch herabfallendes  Totholz (Naturwald!!) wohl hierfür nicht der geeignete Ort sei.
Auch aus dem Publikum kamen im Grunde nur zustimmende Worte für den Schutz, durchaus aber auch mit Fragen nach der Kontrolle und Ablehnung der Konzentration auf eine Nutzergruppe.

Rechtslage eindeutig
Schnell wurde allen Anwesenden allerdings klar, dass Schönebeck sein einmaliges Buchenwäldchen bald verlieren wird, wenn nicht Lösungen zu seinem Schutz gefunden werden. Die Rechtslage ist an sich eindeutig: Die Flache steht unter Naturschutz, das bedeutet, ein Betreten ist grundsätzlich unter Strafe gestellt, erst recht, wenn dabei Zerstörungen erfolgen wie hier der Fall. Das allgemeine Waldbetretungsrecht, das auf 98% der Essener Waldflächen gilt, ist hier außer Kraft. Zwar darf man auf Wegen durch Naturschutzgebiete gehen, hier gibt es aber nur widerrechtlich angelegte Trampelpfade. Stellt der Eigentümer – hier die Stadt – fest, dass sich trotz gesetzlichem Verbot immer wieder jemand im Wald aufhält, muss er Maßnahmen ergreifen, also z.B. zusätzliche Schilder aufstellen und Barrieren errichten. All das ist in der Vergangenheit geschehen, gefruchtet hat es nichts. Die Spuren im Wald sprechen eine eindeutige Sprache… Die naturbelassenen Baumwipfel kränkeln, tote Äste fallen immer wieder herab und stellen eine nicht unerhebliche Gefahr dar. Die Stadt muss handeln, will sie nicht für einen Unfall zur Verantwortung gezogen werden. Ein durch einen morschen Baum getötetes Kind – wie in Detmold geschehen – will niemand…!

Aussperren – aber wohin dann?
Was tun? Wo bleiben Kinder und Jugendliche, die einen natürlichen Spielraum suchen? Wo sollen die Dirtbiker hin, die das Abenteuer suchen, fern ab der Straßen? Wie wird man der wenigen unvernünftigen Hundebesitzer Herr, die sich über jedes Verbot hinweg setzen, wie verhindert man, dass Schilder zerstört, neue Pfade über Privateigentum angelegt oder Hunde ins Naturschutzgebiet gejagt werden?
Letzteres können nur besonnene Hundefreunde und Spaziergänger vorsichtig, aber eindringlich zur Sprache bringen, bevor die Ordnungsmacht (für teures Geld!) einschreiten muss  oder für noch größere Summen ein stabiler Zaun kommt.

Aber wo bleiben die Kids?

Die Stadt Trippstadt in Rheinland-Pfalz, deren ehrenamtliches Bikepark-Team gerade den Preis “Best-for-Bike” der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte (AGFS) erhalten hat, bietet hier vielleicht eine Anregung zum bürgerschaftlichen, elterlichen und bike-aktiven Engagement…vielleicht gibt es das ein oder andere ortsnahe Areal?!

Auch für die Pfadfinderjugend müsste die Stadt eine verwilderte Ecke finden … denn einfach nur aussperren geht wirklich nicht! Umsetzen müssten es dann aber die Interessenten selbst – die öffentliche Hand kann nicht alles leisten!

Das Buchenwäldchen – ganzheitlicher Ansatz gefragt!
Was sich aber an diesem Beispiel zeigt: Der Ballungsraum braucht Freiraum! Für Tier, Pflanze und Mensch! Die Bauwut der letzten Jahrzehnte und überzogene Ansprüche an Wohnfläche haben zu einem Flächenfraß geführt, der nun seine Folgen zeitigt… Gleichzeitig sitzt ein Teil der älteren Generation, deren Kinder längst aus dem Haus sind, in überdimensionierten Anwesen. Hier gilt es, entsprechende Programme zum Tausch aufzulegen; denn in unserem Ballungsraum sind die Flächen nun mal begrenzt.

In Nordrhein-Westfalen versucht die Inititative “Allianz für die Fläche“, die seinerzeit von CDU-Umweltminister Uhlenberg ins Leben gerufen wurde, dem entgegen zu steuern. Inzwischen sind gerade im Siedlungsraum und in der Freifläche typische Arten weiterhin gefährdet durch Übernutzung und Versiegelung. Das Buchenwäldchen bietet nicht nur den Schönebecker Bürgerinnen und Bürgern einen ästhetischen Wohlfühl-Anblick und eine Erholungsfunktion, sondern stellt auch einen besonderen Trittstein für die Natur im Ballungsraum dar.

Der Blick nach vorn
Klaus Diekmann favorisiert kurzfristig den Bau von kostengünstigen Sperren in Eigenleistung. Die Stadt will erst mal ein Gutachten (Wofür? Ein einziger Blick genügt, um die Degradation der Fläche und Bäume zu erkennen…). Pfadfinder sowie Bürger- und Verkehrsverein Schönebeck wollen die Sache nicht auf sich beruhen lassen und den Schönebeckern und sich selbst weitere Informationen zu Wald und Boden verschaffen. Helfen soll im Herbst dabei der landeseigene Umweltbus LUMBRICUS der Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW (NUA), in und mit dem man die vielen Fachbegriffe, die an diesem Abend fielen, ganz anschaulich und mit praktischen Versuchen mit Leben füllen kann. Ein paar zugelassene Original-Bewohner und Nutzer des Buchenwäldchens wird es dann auch ganz bestimmt – auf etwa 1,20m Bildschirmdiagonale vergrößert – zu sehen geben …

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