PRO BAHN Ruhr berichtet über erste Konkretisierungen zum Essener Nahverkehrsplan

Unter dem Titel “Interessante Perspektiven für den NVP Essen” berichtet Moritz Balz, der sich ehrenamtlich bei PRO-BAHN im Regionalverband Ruhr engagiert, in der aktuellen RUHRSCHIENE 2017#2 über einige erwähnenswerte und größtenteils durchaus erfreuliche Details für den ÖPNV in Essen.
Wir geben den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion hier im Original (ausgenommen Fotos – vom Webmaster eingefügt!) wieder:

 

 

 

 

Interessante Perspektiven für den NVP Essen
Essen. (mb) Die Planungen für den Nahverkehrsplan konkretisieren sich. PRO BAHN macht eigene Vorschläge. Wie in Ruhrschiene 2016#3 berichtet, fällte der Stadtrat im vergangenen Herbst den Grundsatzbeschluss, den Nahverkehr moderat auszubauen. Dies konkretisiert sich inzwischen mit der ersten Vorlage für die Bezirksvertretungen. Einige extreme Vorschläge – wie völlige Fokussierung auf die Spurbusstrecke nach Kray und die Einstellung paralleler Buslinien – sind nicht mehr enthalten.

Vielmehr sind sogar zahlreiche Verbesserungen zu erwarten. Als einziges großes Infrastrukturprojekt wird die Bahnhofstangente genannt. Eine Fertigstellung ist aber erst „2025+“ geplant – eine lange Zeit für das Top-Projekt des Essener Nahverkehrs. Ein abschnittsweiser Bau, wie von der Bezirksvertretung I gefordert, ist nicht vorgesehen. Unklar ist auch noch der Umfang: Der Nahverkehrsplan sieht nur den Abschnitt zwischen Hauptbahnhof und Altendorfer Straße vor; von dort aus sollen eine Linie nach Altendorf und weiter nach Westen fahren. Die Fokussierung auf diesen Abschnitt entspricht auch der Position von PRO BAHN. Die Große Koalition im Stadtrat forderte dagegen im Herbst den Bau der ursprünglich geplanten Strecke, die das geplante Stadtviertel „Essen 51“ im nördlichen Krupp-Gürtel queren und quasi mit einer Exklusiv-Verbindung an den Stadtteilzentren vorbei an die Innenstadt anbinden würde. Welchen Einfluss das auf den Nahverkehrsplan hat, bleibt abzuwarten.

Deutliche Verbesserungen gibt es bei den Takten: Die Straßenbahn 107 soll künftig ganztägig alle fünf Minuten zwischen Katernberg und Bredeney fahren, samstags alle 7,5 Minuten. Alle Bahnlinien sollen abends bis 21:30 statt 21:00 Uhr im 15-Minuten-Takt verkehren. Bei den Buslinien werden die Ringlinien gestärkt: Die Linie 170 im Norden der Stadt fährt in der Hauptverkehrszeit alle fünf, sonst tagsüber alle zehn Minuten (bislang alle zehn bzw. 20 Minuten). Die Linie 161 verkehrt werktags ganztägig, so dass auf den gemeinsam mit der Linie 160 bedienten Abschnitten durchgehend ein 10-Minuten-Takt angeboten wird. Für den Spurbus nach Kray ist wie bisher ein 10-Minuten- Takt mit einzelnen Verstärkerfahrten zwischen Hauptbahnhof und Kray vorgesehen. Dafür bleibt die Linie 166 durch das Ostviertel und Frillendorf erhalten.

Einzelne Sparmaßnahmen sind auch vorgesehen: Eingestellt werden sollen zeitweise Verkehre wie die Linie 167 in Steele, die Linie 193 zum Versorgungsamt oder die Linie SB14, die in der Hauptverkehrszeit mit mäßigem Erfolg nach Heisingen fährt. Unverständlich ist die geplante Ausdünnung der Linie 169 sonntags auf einen 30-Minuten-Takt. Angesichts des derzeitigen Fahrgastaufkommens ist das unrealistisch. Keine Beachtung findet das Thema Spätverkehr nach 21:30 Uhr, das PRO BAHN besonders am Herzen liegt. Essen ist zusammen mit Duisburg eine von nur zwei Städten über 400.000 Einwohner in Deutschland, deren wichtigste Linien nach 21:00 Uhr nur noch alle 30 Minuten verkehren und deren Schienenverkehr um 23:00 Uhr komplett eingestellt wird. Wenn die Attraktivität des Nahverkehrs gesteigert werden soll, muss dies geändert werden.

Vorschläge von PRO BAHN

Gemeinsam mit der Bürgerinitiative Mobilität~Werk~Stadt hat PRO BAHN eine Stellungnahme erarbeitet, die Ergänzungen und vereinzelt Korrekturen fordert:

Kurzfristig soll auf Strecken, auf denen sich zwei Stadtbahn- bzw. Straßenbahnlinien überlagern, durchgehend dichte Takte angeboten werden – auch am Wochenende und abends bis Betriebsschluss. Dies betrifft z.B. die UBahn nach Altenessen, wo tagsüber alle fünf Minuten eine Zug fährt, ab 21:00 Uhr aber nur noch alle 30 Minuten.

PRO BAHN fordert zeitnah Maßnahmen für die Messe-Strecke, die trotz fast idealer Infrastruktur dem Veranstaltungsverkehr oft nicht gewachsen ist. Dies kann von getauschten Linienästen bis zur übergangsweisen Beschaffung neuer Fahrzeuge reichen.

Angesichts der langen Realisierungsfrist der Bahnhofstangente schlägt PRO BAHN eine Buslinie ins Südostviertel vor, die die Anbindung an die Innenstadt attraktiver macht und gleichzeitig die Krayer Buslinien entlastet. Dies soll verbunden werden mit einer geänderten Linienführung des 166, die den entfallenden Bahnhof Kray-Süd kompensieren und Wackenberg unabhängig von Kray an die Innenstadt anbinden soll. Begleitet werden soll dies von Linienänderungen mit dem Ziel, besonders lang laufende Linien zu verkürzen und somit zuverlässiger zu machen.

Auch für die Stadtteile im Stadtbezirk II macht PRO BAHN einen Vorschlag, der ohne Mehraufwände realisierbar sein sollte: Die Verbindung zwischen Rüttenscheid, Stadtwald und Bergerhausen soll ganztägig alle zehn Minuten bedient werden (abends und am Wochenende alle 15 Minuten). Eine der beiden Linien fährt wie bisher nach Kettwig, die andere nach Steele und zur Margarethenhöhe, um mehr Direktverbindungen zu ermöglichen. Auf der Ruhrallee soll die Linie 154 durchgehend verkehren und in Schwachverkehrszeiten ggf. mit der Linie SB15 verknüpft werden. So können auch hier werktags durchgängig ein 10- und am Wochenende sowie abends bis Betriebsschluss ein 15-Minuten-Takt angeboten werden.

Als Infrastrukturprojekte sollen der weitere barrierefreie Ausbau von Haltestellen, insbesondere auf der Ringlinie der Straßenbahn, sowie der Weiterbau der 105 nach Oberhausen unterstützt werden – sofern es in Oberhausen einen neuen Anlauf gibt. Für den Krupp-Gürtel fordern wir ein Konzept für die Erschließung zu entwickeln, das relevante Ziele im Essener Nordwesten einbezieht: Den neuen Stadtteil „Essen 51“, den Gewerbepark M1, das Stadion, usw. Hierfür sollen mögliche Varianten zur Erschließung erarbeitet und geprüft werden.

Nicht zufrieden ist PRO BAHN mit dem Vorschlag für die Änderung von Buslinien in Kupferdreh. Hier werden Strecken auf 30-Minuten- Takte ausgedünnt und Direktverbindungen in die Innenstadt reduziert. Wir glauben aber, dass mit dem S-Bahn-Netz ab 2019 im 30-Minuten-Takt trotzdem ein attraktiverer Nahverkehr geschaffen werden könnte, wenn die Buslinien konsequent auf die S-Bahn ausgerichtet werden. Dies ist im Entwurf allerdings nicht erkennbar.

Prüfaufträge
Darüber hinaus wünscht PRO BAHN die Aufnahme mehrerer Prüfprojekte in den Nahverkehrsplan, die in den kommenden Jahren bearbeitet werden können: Ermittlung von Kosten für einen ernstzunehmenden Spätverkehr, bei dem alle wichtigen Linien bis Mitternacht im Viertelstundentakt verkehren; eine Untersuchung, wie Tram- und Buslinien in Borbeck direkter geführt werden können; eine Prüfung der Beschaffung längerer Fahrzeuge für Stadtund Straßenbahnen; eine Untersuchung, ob der Messe-Verkehr künftig besser mit Stadt- oder Straßenbahnen ins restliche Netz integriert werden kann; und als Blick in die fernere Zukunft, welche Strecken künftig für einen Ausbau des Schienennetzes von Interesse sein könnten.  

 

Kommentar

Bei allen Vorschlägen und vereinzelter Kritik darf man nicht unterschätzen: Dies ist der erste Plan für den Essener Nahverkehr seit Jahrzehnten, der systematisch und gewollt Verbesserungen vorsieht, die durch ein höheres Budget unterfüttert werden. PRO BAHN unterstützt diesen Kurswechsel der Essener Politik ausdrücklich. Im Sinne der Fahrgäste werden wir uns um weitere Verbesserungen bemühen.

Print Friendly, PDF & Email
Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles, Mobilität, Partizipation, Stadtentwicklung veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.