Richtig ist: Wir haben eine parlamentarische Demokratie, in der unsere gewählten Vertreterinnen und Vertreter unter Zuhilfenahme von Beratung durch Fachleute die Entscheidungsgewalt haben – und das ist auch gut so, können sich doch die einzelnen Bürgerinnen und Bürger kaum in alle komplexen Materien einarbeiten.
Dennoch – und das zeigt gerade der Denkprozess in Stuttgart – ist der Mensch vor Ort auch nicht blöd. Im Ländle gibt’s trotz parlamentarischer Entscheidungen (wenn auch irgendwie durchgeprügelt) den Stresstest als Kompromiss, da immer fraglicher wurde, ob die Kapazität der unterirdischen Gleise überhaupt ausreicht und ob das neue System somit überhaupt zukunftsfähig wäre.
Hier bei uns ist die Situation eher umgekehrt. Dass die A52 durchgeprügelt wurde, kann man nicht direkt sagen, dafür währt die Diskussion schon zu lange. Allerdings wähnten sich die Protagonisten mehr mit altbewährter Salami-, Verharmlosungs- und Gummiwandtaktik schlauer. Und Kapazitätsprobleme stehen eher weniger im Vordergrund, auch wenn allen Studien und Prognosen zufolge eine durchgestreckte A52 mehr statt weniger Verkehr bringen würde.
Hier geht es vielmehr um einen lebenswerten Ballungsraum Ruhrgebiet. Der Essener Norden ist mit Grün- und Freiflächen nicht gerade verwöhnt. Das Ruhrgebiet ist von Verkehrsschneisen aller Art genug zerschnitten. Der Streit um denkbare Auf- und Abfahrten einer verlängerten A52 und den damit verbundenen neuen Verkehrsbelastungen ist längst nicht geklärt.
Neue Autobahnen im Ballungsraum bauen zu wollen entstammt noch einem überkommenen Denkansatz der meint, mehr Straßen würden weniger Stau bringen. Noch nie hatten wir so viele Straßen wie bisher und noch nie waren die Staus so zahlreich wie bisher.
Sollen die Menschen denn noch mehr den Straßen, sprich den Autos weichen? Ist es nicht viel sinnvoller zu versuchen, einen kompletten Perspektivwechsel in Angriff zu nehmen? Kann man Straßen oder deren Fläche nicht wieder zu Lebensraum für Menschen machen, wie es moderne Verkehrswissenschaftler und Stadtplaner längst sehen? Von parallelem Rückbau von Straßen, Freilegen von Asphalt und Beton war in der gesamten Diskussion noch nichts zu hören …
Energie wird knapp, Klimawandel steht zu befürchten, Bewegungsmangel wird beklagt, Stickoxide bekommt man nicht in den Griff – ist es da nicht Zeit, ganz andere Ansätze zu verfolgen als Autobahnen zu bauen?
Die Diskussion aus dem Landtag zeigt, dass viele noch nicht einen Hauch dazu gelernt haben, sondern immer und immer wieder auf überkommenen Thesen herum reiten. Die Bürgerinnen und Bürger haben aber inzwischen begriffen, dass solche Leute auch abwählbar sind …