Belgische Pannenreaktoren: Brief an die Kanzlerin

Bundeskanzleramt Berlin - Foto: D.Schruck

Bundeskanzleramt Berlin – Foto: D.Schruck

Den Essener OB Thomas Kufen haben wir schon angeschrieben, das Land NRW ist bereits auf vielen Ebenen aktiv.

Bei der internationalen Bedeutung und Gefährdung durch die Schrottreaktoren kurz hinter der Grenze in dominierender Windrichtung (Süd-West) reicht das wohl nicht.

Daher haben wir nun die Bundeskanzlerin Frau Merkel angeschrieben.

Hier die pdf-Version mit Grafiken und in wenigen Tagen kurzfristig zusammengetragenen Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern

Da aber nicht alle pdf öffnen können oder wollen, hier nur der eigentliche Text (ohne Grafiken usw.):

Runder UmweltTisch Essen (RUTE)
Dr. Dieter Küpper
Prof. Rolf Schwermer
Messeallee 28
45131 Essen
 
 
 
An die Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin
 
Essen, 06.01.2016
 
 
Dringende Bitte: Handlungsbedarf wegen Hochrisikolage   
durch Betrieb der Kern-Kraftwerke Tihange und Doel
 
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Frau Dr. Merkel,
wir schätzen Sie sehr wegen Ihres besonnenen Handelns nach der Katastrophe von Fukushima: Sie haben nach dem Unfall in den Kern-Kraftwerken (KKW) von Fukushima Daichi ein sofortiges Moratorium für deutsche KKW verhängt und haben sich für einen europäischen Stresstest von KKW eingesetzt.
Heute sehen wir uns in Deutschland einer akut verschärften Risikolage durch den Betrieb der KKW von Tihange und Doel in Belgien ausgesetzt:

•  Risse (Einschlüsse) in den Reaktordruckbehältern (RDB): In zwei der insgesamt sieben Reaktorblöcke von Tihange und Doel sind jeweils mehrere tausend Einschlüsse in den Wänden der RDB festgestellt worden. Die Entstehung der Einschlüsse und damit ihre Ursache ist nicht geklärt.
Ein Nachweis darüber, dass die Einschlüsse bereits beim Bau der RDB vorhanden waren und nicht erst im jahrelangen Betrieb der KKW entstanden sind, kann nicht geführt werden, weil die Dokumentation der Wärmebehandlung der RDB verschwunden ist. Somit ist es jedoch grob fahrlässig, wenn die Ungefährlichkeit der Einschlüsse ohne Beweise unterstellt wird und auf dieser behaupteten Grundlage der Weiterbetrieb der KKW gestattet worden ist.
 
•  Mehrere Störfälle, eine RESA: Beim Wiederanfahren der Reaktorblöcke Tihange 2 und Doel 3 hat es zuletzt im Dezember 2015 zwei meldepflichtige Störfälle gegeben, in Doel 1 am 02.01.2016. Einer der Störfälle war so gravierend, dass er sogar zu einer Reaktorschnellabschaltung (RESA) mit hoher Belastung aller Systeme des KKW führte. Nicht erst diese jüngsten Störfälle, sondern die Summe der Störfälle in den letzten Jahren zeigen die Anfälligkeit und technische Unzuverlässigkeit der KKW.

Alle Risikoreservern sind aufgebraucht. Die Eintrittswahrscheinlichkeit für einen GAU ist stark erhöht: Bei Austritt einer radioaktiven Wolke sind aufgrund der vorherrschenden Windrichtung innerhalb von Stunden Millionen von Menschen nicht nur in Deutschland unmittelbarer Gefahr ausgesetzt. Eine solche Situation wäre wegen Ausbruchs von Panik, Flucht und Chaos vermutlich nicht mehr steuerbar. Ein Weiterbetrieb ist auch aus diesen Gründen nicht mehr zu verantworten.
 
Angesichts dieser hochriskanten Situation in Westeuropa sind wir in großer Sorge und bitten Sie dringend:
•  Setzen Sie sich für ein sofortiges Moratorium für die KKW in Tihange und Doel ein, bis die Ursachen für die Einschlüsse in den RDB von unabhängigen Experten geklärt sind und die Risikoschwelle für einen Weiterbetrieb nicht mehr überschritten wird.

•  Beziehen Sie Präsident Hollande ein, da aufgrund der Beteiligung französischer Unternehmen an der Betreibergesellschaft Electrabel und der Verantwortung französischer Staatsbürger in der Leitung von Electrabel der Einfluss Frankreichs geltend gemacht werden kann.

•  Bieten Sie für die Dauer eines Moratoriums den unterstützenden Einsatz europäischer Kernenergie-Experten bei der belgischen Atomaufsicht FANC an. Der Leiter der FANC, Herr Jan Bens, ist u.a. durch Compliance-Vorwürfe (aktive und passive Bestechlich-
keit) so kompromittiert, dass er in seiner Funktion nicht mehr haltbar ist. Es liegt im gesamten europäischen Interesse, die fachliche Arbeitsfähigkeit sowie die zweifelsfreie Unabhängigkeit der FANC sicherzustellen, besonders im Interesse der Länder Belgien, Frankreich, Luxemburg, Niederlande und von Deutschland.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, wir setzen auf Ihre fachliche Kompetenz als Physikerin, auf Ihre diplomatischen Fähigkeiten in Europa und auf Ihre oft bewiesene besonnene Durchsetzungsstärke, wenn wir Sie bitten, alles zu tun, um die aktuelle Hochrisiko-Situation aufzulösen.   
Mit erwartungsvollen Grüßen
 
           
Dr. Dieter Küpper      Prof. Rolf Schwermer
Sprecher des RUTE      aktiv im RUTE

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